
23 Sep Kreatives Chaos: Mythos oder Maßnahme zur Kreativitätsförderung?
Die Geschichte des kreativen Chaos ist allseits bekannt und viele haben diese sicherlich schon als Vorwand genutzt, um den völlig unaufgeräumten Bürotisch zu rechtfertigen. Doch was steckt wirklich dahinter – und kann eine chaotische Arbeitsumgebung tatsächlich kreatives Denken fördern?
Eine Studie von Preiser & Buchholz (2008) zeigte, dass eine anregende Umgebung mit vielen Wahrnehmungsimpulsen und Informationen einen positiven Effekt auf die Kreativität haben kann. Diese Vielfalt von zu verarbeitenden Reizen – seien es Geräusche, Gespräche, visuelle Reize oder eben ein unaufgeräumtes Büro – führt dazu, dass verschiedene Regionen im Gehirn simultan stimuliert werden und dadurch Gedanken und Erinnerungen aus verschiedenen Wissensbereichen und Sinnesmodalitäten miteinander assoziiert werden. Kommt es anschließend zur bewussten Verarbeitung dieser Assoziationen, können daraus tatsächlich neue, kreative Gedankenimpulse entstehen.
Was für uns häufig mit einer Überwindung verbunden ist, macht unser Gehirn währenddessen völlig automatisch: es schafft Ordnung, indem es komplexe Zusammenhänge strukturiert, kategorisiert, vereinheitlicht und vereinfacht sowie Widersprüchliches eliminiert. Diese Komplexitätsreduktion der Realität ermöglicht es uns, in einer Vielfalt von Reizen handlungsfähig zu bleiben und gleichzeitig Ordnung in die doch sehr umfangreiche Gedankenwelt zu bringen. Diese „kognitive Ordnung“ hat neben der Komplexitätsreduktion natürlich noch den Vorteil, dass Wissen systematisch organisiert und entsprechend leicht abrufbar ist. Insbesondere bei repetitiven Vorgängen und Entscheidungen ermöglicht dies schnelles Handeln und eine damit einhergehende enorme Zeitersparnis. Es gibt allerdings auch eine Kehrseite, denn insbesondere dann, wenn es nicht mehr nur um Routineaufgaben, sondern um komplexe, neuartige Problemstellungen geht, landen wir damit in einer kognitiven Sackgasse. Um also kreative Ideen zu generieren, müssen mir kognitiv die konventionellen Strukturen unterbrechen und Verknüpfungen zwischen verschiedenen Wahrnehmungsimpulsen und Erinnerungen herstellen. Umso mehr konventionelle, kognitive Strukturen durchbrochen werden, desto überraschender können die daraus resultierenden Gedankenimpulse sein. Basierend auf diesem Konzept haben sich Kreativitätsforscher zur Förderung kreativen Denkens deshalb neben dem chaotischen Schreibtisch noch weitere Anregungen überlegt, wie zum Beispiel das Zulassen freier Assoziationen, die Verknüpfung verschiedener Sinnesmodalitäten oder auch das Finden von Analogien und Metaphern.
Eine etwas ernüchternde Erkenntnis für die Verfechter des unaufgeräumten Büros: entscheidend für die Förderung kreativer Gedankengänge ist nicht der zugemüllte Schreibtisch, welcher im Übrigen auch für viel Ärger sorgen kann, nämlich dann, wenn wertvolle Zeit verloren geht, weil Dinge nicht gefunden werden oder gar wichtige Unterlagen im Durcheinander verschwinden. Weitaus bedeutender ist die Vielfalt von Sinneneindrücken und Informationen, die verschiedene Gehirnareale stimulieren und dadurch die Kreativität angeregt wird. Dabei reicht es sogar schon, gedankliche Widersprüche im kognitiven Ordnungswahn nicht direkt zu verwerfen, sondern die umherschweifenden Gedanken zuzulassen und dadurch neue Ideen zu generieren.
Letztendlich gibt es keine perfekte, kreativitätsförderliche Lösung für die Schreibtische dieser Welt. Denn schließlich spielt auch die persönliche Präferenz im Sinne von Ordnung oder Unordnung sowie der individuelle Arbeitsstil eine entscheidende Rolle. Ein möglicher Ansatz, um eine kreative Arbeitsweise zu fördern ist es deshalb, jedem Mitarbeiter die Gestaltungsfreiheit des Arbeitsplatzes selbst zu überlassen, Raum für unkonventionelle Gedankengänge (durch interessante Gespräche, spontane Assoziationen oder gedankliche Fantasiereisen) zu ermöglichen und regelmäßige Pausen einzubauen, um festgefahrene Gedankengänge und kognitive Sackgassen zu vermeiden.
Quelle:
https://www.wirtschaftspsychologie-aktuell.de/magazin/foerdert-buerochaos-die-kreativitaet/181/
Zugriff am 23.09.21